Citizen Science

“Citizen Science” – auf Deutsch auch als Bürgerforscher bezeichnet – ist auf dem Vormarsch. Immer mehr Forschungseinrichtungen in Deutschland arbeiten mit Laien zusammen was für beide Seiten ein enormes Potential, darstellt. Zum einen würden viele Themen ohne “Citizen Science” nicht aufgearbeitet und erforscht werden, zum anderen erfüllen sich viele Laien einen Forschertraum und erfahren eine Selbstverwirklichung die sie als sehr befriedigend empfinden. Dabei ist “Citizen Science” keine neue Erfindung, besonders die Paläontologie ist für das Thema von jeher prädestiniert (z.B. Sarjeant 1974, Windolf 1993, Hornung 2007). Viele Amateure sind zu hervorragenden Wissenschaftlern geworden und erhielten für Ihre Verdienste Ehrendoktortitel (Hagdorn 1988, Weidert 1989) und Auszeichnungen wie z.B. die Karl-Alfred von Zittel-Medaille der Paläontologischen Gesellschaft oder das Bundesverdienstkreuz (Anonymous 1990, Lehmann 2003, 2010; Riegraf 2001; Schweigert 2004, Urlichs & Wild 2016). Zwar läuft in der Zusammenarbeit von Amateurpaläontologen und Wissenschaftlern nicht immer alles reibungslos (Haug & Haug 2016, Riegraf 1997, Siber 2018, Maisch 2019), aber viele wissenschaftliche Projekte wären ohne Amateure gar nicht möglich gewesen (z.B. de Ouden & Pouwer 2018). Dieses gilt nicht zuletzt auch für die Zusammenarbeit der Geowissenschaftlichen Sammlung der Universität Bremen mit Laien (z.B. Lehmann 2010, 2012).

Angeführte Schriften

  • Anonymous 1990 Geschiebesammler R. Schäfer mit Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet; “Lorbeeren” für Freizeitforscher; Wissenschaft braucht engagierte Praktiker – Westfälische Nachrichten 1990 (21) Steinfurter Kreisblatt vom 25. Januar 1990, Münster. [Nachdruck: Geschiebekunde aktuell 6 (1): S. 46, 1 Abb., 1990, Hamburg.]
  • den Ouden, N., Pouwer, R., 2018. Professional and amateur palaeontologists – the Dutch Polder Model. The Geological Curator 10(10), 577-584.
  • Hagdorn, H., 1988. Das Sammlerporträt: Dr. h. c. Rudolf Mundlos. Fossilien 5(4), 184-188.
  • Haug, C., Haug, J.T., 2016. Über die Zusammenarbeit von Hobbypaläontologen und Wissenschaftlern. Der Steinkern(24), 90-93.
  • Hornung, J.J., Reich, M., 2007. Krokodile, Schildkröten & Dinosaurier. Die “Wealden”-Sammlung der Universität Göttingen. Fossilien 24(1), 32-36.
  • Lehmann, J., 2010. Geologie und Paläontologie des nordwestdeutschen Raumes – die Beiträge von Herbert Menzel. Abhandlungen herausgegeben vom Naturwissenschaftlichen Verein zu Bremen 46(3), 393-396.
  • Lehmann, J., 2012. Fossilien aus dem norddeutschen Aptium – Grabungen in Alstätte. Fossilien 29(6), 336-344.
  • Maisch, M., 2019. “Fossilschutzgesetze” und kein Ende… Fossilien 36(3), 25-31.
  • Riegraf, W., 1997. Saurier verlassen Westfalen. Fossilien 14(4), 200-201.
  • Riegraf, W., 2001. Westfälischer Amateurpaläontologe erneut geehrt. Fossilien 18(4), 200.
  • Ronzheimer, M., 2014. Die Bürgerforscher. Leibniz-Journal. Das Magazin der Leibniz-Gemeinschaft(3), 26-29.
  • Sarjeant, W.A.S., 1974. A history and bibliography of the study of fossil vertebrate footprints in the British Isles. Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology 16(4), 265-378.
  • Urlichs, M., Wild, R., 2016. Johann Wegele – Fossiliensammler und Träger des Bundesverdienstkreuzes. Fossilien 33(1), 5-6.
  • Windolf, R., 1993. Max Ballerstedt: Dinosaurier-Fährten-Forschung in Bückeburg. Dinosaurier-Magazin Neue Folge(1), 1-4.
Die Ammonoidea des Lower Greensand in Südengland
2018 – andauernd

Die Ammonitenfolge des südenglischen Lower Greensand ist die Grundlage für die Biostratigraphie des Aptiums (untere Kreidezeit) im gesamten borealen Faunenraum. In einem Gemeinschaftsprojekt arbeitet Mark Bayliss, Bürgerwissenschaftler aus London, mit Prof. Jens Lehmann (Universität Bremen) und Martin Simpson (Universität Portsmouth) an neuen Materialien, die das berühmte Werk von Raymond Casey über Lower Greensand Ammonoidea (1960-1980) ergänzen. Ziel ist es, eine taxonomische Revision durchzuführen und den biostratigraphischen Rahmen zu überarbeiten. Eine erste gemeinsame Publikation wurde veröffentlicht.


  • Lehmann, J., Simpson, M. I., Bayliss, H. M., 2019. A first ammonite fauna from the Walpenites horizon of the upper Aptian (Lower Cretaceous), Isle of Wight, southern England. – Proceedings of the Geologists’ Association.
Die Fossilien der Unterkreide-Geschiebe von Wolgast-Hohendorf, Mecklenburg-Vorpommern
2004 – andauernd

In diesem Langzeitprojekt wird eine bis dato völlig unbekannte Fauna der Kreidezeit wissenschaftlich bearbeitet. Werner Beckert hat seit den 1970er Jahren in Wolgast eine einzigartige Materialsammlung zusammengetragen und arbeitete darüber von 2003 bis 2021 eng mit der Universität zusammen. Weitere Veröffentlichungen sind, trotz seines Todes 2021, durch die Mitarbeiter der Sammlung dank seiner akribischen Dokumentation möglich und in Arbeit. Das Material wurde an der Universität Bremen hinterlegt, was Werner Beckerts Wunsch sehr am Herzen lag.


  • Lehmann, J., Owen, H.G., Beckert, W., 2013. A new ammonite fauna from NE Germany – evidence for an Early Albian cooling and the initial transgression in the Danish-Polish Trough. Neues Jahrbuch für Geologie und Paläontologie, Abhandlungen 268, 199-235.
  • Lehmann, J., Hoffmann, R., Owen, H.G., Beckert, W., 2016. Cephalopoden aus unterkreidezeitlichen Geschieben der Region um Wolgast-Hohendorf, Vorpommern. Archiv für Geschiebekunde 7, 401-530.
Aufarbeitung malakozoologischer Neuzugänge der Geowissenschaftlichen Sammlung am FB 5
2019 – andauernd

Der malakozoologische Teil der Geowissenschaftlichen Sammlung ist durch seinen historischen Kern und das enthaltene Typmaterial von internationaler Bedeutung, wird häufig für wissenschaftliche Bearbeitungen nachgefragt und seit längerem kustodisch aufbereitet. Durch Rückführung von nach Bremen gehörenden größerer Sammlungsteilen aus Ausleihen sowie Neuzugänge der letzten 20 Jahre liegt ein Materialkomplex vor, der einer Bearbeitung harrt. Jürgen Reinhardt ordnet, bestimmt und inventarisiert diese Sammlungsteile und sichtet es für seine weitergehende Forschung.


  • Lehmann, J., 2018. Geosciences Collection of the University of Bremen: The recent mollusk compilation, In: Beck, L.A. (Ed.): Zoological Collections of Germany – The Animal Kingdom in its Amazing Plenty at Museums and Universities. Springer, Berlin, pp. 197-212.
Provenienzforschung an ausgewählten Objekten der Geowissenschaftlichen Sammlung der Universität Bremen
2016 – andauernd

Zum Altbestand der Geowissenschaftlichen Sammlung gehören viele in historischer Zeit akquirierte Objekte. Deren Provenienz bedarf oft weiterer Forschung um sie nutzen zu können. Beispiele sind das Bremer Höhlenbärenskelett und eine Suite von Geschieben (=während der Eiszeit verfrachtete Gesteine) vom Gut Wellen im Landkreis Cuxhaven. Werner Liebenberg erforscht über verschiedene Quellen, z.B. die Eingangskataloge des Überseemuseum, Internet, Publikationen des Naturwissenschaftlichen Vereins zu Bremen, die Provenienz ausgewählter Exponate oder Sammlungsteile. Diese sind als Grundlage für inhaltliche Forschungen an den Objekten wertvoll, veröffentlicht werden seine Ergebnisse in den Mitteilungsheften des Fördervereins der Geowissenschaftlichen Sammlung die auch im Internet zugänglich sind.


Die Flora der frühen Kreidezeit aus der Wealden Fazies von Duingen, Norddeutschland
2012 – 2014

Die Pflanzenfossilien aus der frühen Unterkreidezeit von Duingen in Niedersachsen wurden von Michael Guhl in Zusammenarbeit mit der Geowissenschaftlichen Sammlung der Universität am Fachbereich 5 bearbeitet. Er fotografierte in diesem Rahmen Material aus der Sammlung der Universität und arbeitete die Fotos in die Fotodatenbank ein. Als externer Spezialist für Paläobotanik leitete Christian Pott (damals Naturkundemuseum Stockholm) M. Guhl im speziellen Fachgebiet an und Prof. J. Lehmann (FB 5) im Bezug auf Stratigraphie und regionale Geologie. Die Ergebnisse wurden 2014 in einer Peer-Review-Zeitschrift publiziert.


  • Pott, C., Guhl, M., Lehmann, J., 2014. The Early Cretaceous flora from the Wealden facies at Duingen, Germany. – Review of Palaeobotany and Palynology 201, 75-105.
Dünnschliffuntersuchungen an Apliten, Vulkaniten und Sedimenten aus dem Dreiländereck (Polen-Deutschland-Tschechische Republik)
2005-2008

Mit Hilfe eines zum Polarisationsmikroskop umgebauten Stereomikroskops hat der Bremer Herbert Menzel Gesteinsdünnschliffe aus der Region seiner ursprünglichen Heimat im Dreiländereck untersucht. Bei der technischen als auch fachlichen Umsetzung wurde er von Wissenschaftlern und Technikern des Fachbereiches 5 unterstützt. Es erschienen zwei Veröffentlichungen zu diesem Thema.


  • Menzel, H., 2007. Das Zittauer Gebirge – seine Landschaft und Gesteine. Der Aufschluss 58, 165-170.
  • Menzel, H., 2008. Aplit auf dem Prudelberg (Wotosza) und der Heinrichsburg (Zamek ksiecia Henryka) bei Stonsdorf (Staniszów) im Riesengebirge (Karkonosze) Polen. Der Aufschluss 59, 155-160.
Aufarbeitung der historischen Bernsteinsammlung Bremens
2003 – 2005

Peter Kehrenbach arbeitete die Bernsteinsammlung der Geowissenschaftlichen Sammlung zur weiteren wissenschaftlichen Nutzung auf. Sie wurde gesichtet, neu bestimmt und dokumentiert. Neben den akademischen Arbeiten behandelte er den Bernstein zudem mit Tauchlack zur dauerhaften Konservierung, da Bernstein unter Luftzufuhr zerfallsbedroht ist. Kehrenbach konnte die Früchte seiner Arbeit nicht mehr selbst ernten, seine Arbeiten bildeten aber die Grundlage für mehrere Publikationen.


  • Weitschat, W., 2004. Zecken im Bernsteinwald – wahre Raritäten. ImpfDialog 4, 11-12.
  • Lehmann, J., 2007. Fossile Zecke im baltischen Bernstein. Fossilien 24, 226-228.
  • Dunlop, J.A., Apanaskevich, D.A., Lehmann, J., Hoffmann, R., Fusseis, F., Ehlke, M., Zachow, S., Xiao, X., 2016. Microtomography of the Baltic amber tick Ixodes succineus reveals affinities with the modern Asian disease vector Ixodes ovatus. BMC Evolutionary Biology 16, 1-8.
Statolithen aus dem Paläo- und Neogen
1996 – 2004

Über viele Jahre untersuchte H. Menzel Statolithen – die Gehörsteine von Fischen und Tintenfischen. Seine Forschungen wurden zunächst vom Überseemuseum und ab 1996 von der Universität begleitet und gefördert. Es erschienen fast 20 Publikationen und Menzel erhielt 2003 für seine Verdienste einen der höchsten Citizen Science Preise im Bereich Geowissenschaften: Die Karl-Alfred von Zittel-Medaille der Paläontologischen Gesellschaft (Lehmann 2003, 2010a & b). Seine Probensammlung wurde 2005 in die Universität eingegliedert, sämtliche Fundpunkte wurden mit dem FB 5 zusammen aufgearbeitet (Lehmann & Menzel 2005).


  • Lehmann, J., 2003. Verleihung der Karl-Alfred von Zittel-Medaille der Paläontologischen Gesellschaft 2003 an Herbert Menzel. GMit. Geowissenschaftliche Mitteilungen 14, 90-92.
  • Lehmann, J., 2010a. Geologie und Paläontologie des nordwestdeutschen Raumes – die Beiträge von Herbert Menzel. Abhandlungen herausgegeben vom Naturwissenschaftlichen Verein zu Bremen 46(3), 393-396. (enthält eine vollständige Liste der Veröffentlichungen von Herbert Menzel)
  • Lehmann, J., 2010b. Statolithen – kleine Fossilien ganz groß. Fossilien 27(6), 359-366.
  • Lehmann, J., Menzel, H., 2005. Die Otolithen der Geowissenschaftlichen Sammlung der Universität Bremen – Provenienzen und Katalog der Originale. Abhandlungen herausgegeben vom Naturwissenschaftlichen Verein zu Bremen 45, 657-678.